James Bowen: Bob der Streuner. Die Katze, die mein Leben veränderte, OT: A Street Cat Named Bob, aus dem Englischen von Ursula Mensah, Köln 2013, Bastei Lübbe Taschenbuch, ISBN 978-3-404-60693-1, Softcover, 251 Seiten, Format: 12,7 x 2,4 x 18,8 cm, Buch: EUR 8,99 (d), EUR 9,20 (A), Kindle Edition: EUR 6,99.
Der ehemalige Junkie, Straßenmusiker und Obdachlose James Bowen und sein ständiger Begleiter, der rote Kater Bob sind seit Jahren schon Internet-Stars. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis jemand auf die Idee kam, die Geschichte der beiden in Buchform zu veröffentlichen. Als James zum ersten Mal hörte, er solle doch ein Buch über seine Erlebnisse mit Bob schreiben, hat er gelacht. Er kann zwar erzählen, aber er hat ja nicht einmal einen Schulabschluss. Wie soll er da ein Buch schreiben können? Wenn ich seine Dankesworte am Schluss des Buchs richtig deute, hat man ihm schließlich den Ghostwriter Garry Jenkins zur Seite gestellt, und zusammen haben sie uns diese herzerwärmende Geschichte einer lebensrettenden Freundschaft beschert.
Eine turbulente Jugend
James Bowen hatte eine turbulente Jugend und hat nie gelernt, soziale Kontakte zu knüpfen und irgendwo Wurzeln zu schlagen. Seine Eltern haben sich getrennt, als er noch klein war. Seine Mutter musste allein für ihn sorgen und hat sich beruflich sehr ins Zeug gelegt. Ihre erfolgreichen Geschäftskonzepte wechselte sie so oft wie die Wohnorte. „Mal lebten wir in England, mal in Australien aber auch im jeweiligen Land blieben wir nie lange an einem Ort.“ (Seite 29)
Ständige Umzüge, Mobbing in der Schule, keine Freunde, eine vielbeschäftigte Mutter, ein Stiefvater, mit dem er nicht klarkommt – aus einem unglücklichen kleinen jungen wird ein chaotischer Teenager, der Gras raucht und Lösungsmittel schnüffelt. Mit 18 verlässt James seine Familie in Australien und geht nach London. Dort will er bei Verwandten wohnen. Doch das geht nicht lange gut. Weil er Drogen nimmt und seinen Job verliert, fliegt er bei der Verwandtschaft raus und landet auf der Straße. Nun hätte er ja einfach zurück nach Australien fliegen können, das Ticket hatte er ja. Auch seinen verbummelten Pass hätte man sicher irgendwie ersetzen können. Aber James ist jetzt schon alles egal. Er taucht einfach in London unter. Ein heroinsüchtiger Obdachloser mehr.
Ein verletzter Kater vor der Tür
Als er 25 ist, geht’s ein bisschen aufwärts: Er kommt in ein Methadonprogramm, wird psychotherapeutisch betreut, erhält eine kleine Wohnung in einem Mietshaus in Tottenham und beginnt, Straßenmusik zu machen. 2007 war das. Und da findet er an einem Abend im März beim Nachhausekommen einen mageren, verletzten und kläglich maunzenden Kater im Treppenhaus vor. James geht zunächst davon aus, dass das Tier einem Nachbarn gehört und will es nicht einfach „kidnappen“. Aber als sich der Kleine zwei Tage später immer noch herumdrückt und offenbar wirklich keinen Besitzer hat, erbarmt sich James und kümmert sich um den kleinen Streuner.
Noch nie war er für ein anderes Lebewesen verantwortlich, sogar um sich selbst sorgt er mehr schlecht als recht. Aber den kleinen Kater betreut er vorbildlich. Mit Katzen kennt er sich aus. Der Rote wird verpflegt und verarztet, gechipt und kastriert. Bis er wieder gesund ist, darf er bleiben. Aber als er gesund ist, will der Kater nicht mehr weg. Wo und wie auch immer er vorher gelebt hat: Bei James gefällt es ihm besser. Okay. Dann bekommt das Tier einen Namen – Bob, nach einer Figur aus der TV-Serie TWIN PEAKS – und wird zum offiziellen Mitbewohner erklärt.
James fühlt sich durch Bobs Anwesenheit regelrecht geehrt. Katzen sind ja wählerisch, und wenn Bob unbedingt bei ihm bleiben will, kann er ja kein ganz so schlechter Mensch sein. Auch die Mitmenschen nehmen James auf einmal anders wahr, seit Bob ständig an seiner Seite ist. Haben sie den jungen Mann vorher als „Penner“ ignoriert, sprechen sie ihn jetzt als Katzenhalter an. „Sobald die Leute die enge Beziehung zwischen Bob und mir erkannten, stieg mein Sympathie-Barometer. (…) Bevor er zu mir kam, war ich Abschaum gewesen. Dank ihm war ich plötzlich wieder ein Teil der Gesellschaft. Ein Mensch wie jeder andere.“ (Seite 86)
Kater Bob wird zum Star
Als Bob seinem neuen Menschen einmal auf dem Weg zu dessen Arbeitsplatz nachrennt, nimmt James ihn notgedrungen mit. Bob bettet sich während des Auftritts in den Gitarrenkasten und avanciert bald zum Publikumsliebling. Und die Leute sind jetzt auch spendabler. Dem Kater scheint sein Job zu gefallen. Nur selten verkriecht er sich vor „Dienstantritt“ unterm heimischen Sofa und macht blau. „Solange er gerne mitkommt und Spaß an unseren Ausflügen hat, werde ich es genießen, nahm ich mir vor. Und wenn ich dabei auch ein bisschen mehr verdiene, freue ich mich einfach darüber.“ (Seite 66)
James und Bob begegnen bei ihrer Arbeit Katzenfreunden und Katzenhassern, Erbsenzählern und Armleuchtern, und als einmal ein kostümierter Mann das Tierchen streicheln will, erschreckt es sich und läuft weg. James ist in heller Panik und begreift, wie sehr er mittlerweile an seinem vierbeinigen Kollegen hängt. Er ist sein Freund, sein Partner, sein Rettungsanker, sein Baby. Zum Glück ist der rote Kater in der Gegend bekannt wie ein bunter Hund. Man weiß, wo er hingehört.
Für Bob will James kämpfen
Natürlich ist jetzt nicht alles eitel Sonnenschein. Es gibt auch Rückschläge. Mal wird Bob krank, mal bekommt James Ärger mit der Polizei, weil er illegal auf der Straße musiziert. Notgedrungen muss er auf den Verkauf einer Obdachlosenzeitung umsatteln. Für einen „bürgerlichen“ Beruf hat er aufgrund seiner Biographie einfach nicht die Voraussetzungen. Da er dank Bob auch hier mehr Umsatz macht als mancher Kollege, lassen die Neidhammel nicht lange auf sich warten und die sind in der Wahl ihrer Mittel nicht zimperlich. Aber jetzt hat James etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt: Bob. Für ihn ist er sogar bereit, gänzlich clean zu werden und auch das Methadon abzusetzen. James weiß, dass das kein Spaziergang wird …
Lebensrettende Begegnung
Einem vom Schicksal gebeutelten jungen Mann läuft eine Katze zu und er nimmt dies zum Anlass, sein Leben zu überdenken und zu ändern. Mehr passiert eigentlich nicht. Dass die Sache mehr oder weniger gut ausgegangen sein muss, ist klar, weil uns ja James selbst von den Ereignissen berichtet. Trotzdem liest man voller Spannung immer weiter, weil man partout wissen will, wie dieses und jenes Abenteuer ausgeht. Man ertappt sich sogar dabei, schneller zu lesen, weil einen die Neugier plagt, wie James seinen entlaufenen Kater wiederbekommt … wie der Kampf mit den Behörden ausgeht … wie James den Besuch bei seinen Angehörigen in Australien verkraftet, mit denen er ja lange Zeit gar keinen Kontakt gehabt hat … und wie es Bob ergeht, der deshalb sechs Wochen lang bei einer Freundin bleiben muss. Und last not least: Schafft James es tatsächlich, clean zu werden?
Hier haben sich zwei heimatlose Streuner zwar nicht gesucht aber gefunden und einander Halt und Zuneigung gegeben. Für beide war diese Begegnung offenbar lebensrettend. BOB DER STREUNER ist ein berührendes und tatsächlich auch spannendes Buch mit einigen heiteren Episoden. Ich hätte ja zu gerne James‘ Gesicht gesehen, als er bei seiner Rückkehr entdeckt, was Bob für einen neuen Trick draufhat …
James und Bob auf Youtube:
Der Autor
James Bowen, geboren im März 1979 in Surrey, ist ein ehemaliger Straßenmusiker aus der Nähe von London. Nach Jahren als Heroinsüchtiger und Obdachloser hielt James sich lange Zeit leidlich mit Musik und dem Verkauf der englischen Obdachlosenzeitschrift „The Big Issue“ über Wasser. Mit seinem Kater Bob, der ihn auf Schritt und Tritt begleitet, sorgte er selbst in London für Aufsehen und so dauerte es nicht lange, bis die beiden Freunde eine stadtbekannte Attraktion auf den Straßen der englischen Hauptstadt wurden. Auch Zeitungen und Verlage werden auf James Bowen aufmerksam und so entwickelt sich aus den schweren Zeiten eine Erfolgsstory. Heute leben James Bowen und Bob in einer bescheidenen Dreizimmer Eigentumswohnung. Bobs Herrchen setzt ihre gemeinsame Berühmtheit dazu ein, auch weiterhin denen zu helfen, die Hilfe nötig haben – Obdachlose und andere sozial Benachteiligte.
Rezensent: Edith Nebel
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