Gloria Gray: Jenseits von Verhausen, Vikki Victorias 3. Zwischenfall, Krimi

Gloria Gray: Jenseits von Verhausen, Vikki Victorias 3. Zwischenfall, Krimi, München 2024, dtv Verlagsgesellschaft, ISBN 978-3-423-21887-0, Klappenbroschur, 378 Seiten, Format: 12,3 x 3,1 x 19,1 cm, Buch: EUR 13,00 (D), EUR 13,40 (A), Kindle: EUR 9,99, auch als Hörbuch lieferbar.

Abb.: (c) dtv

„[…] Mario will wissen, was hier vor sich geht. Will endlich erfahren, wie er die geheime Filmerei im Olympiaturm, die Ermordung des Greises und dessen mediale Unterschlagung und nun auch noch Marougés sperriges Interview deuten soll.“ 

(Seite 144)

Ja, um Himmels Willen! In welche undurchsichtigen kriminellen Machenschaften ist unsere Heldin, die transidente Entertainerin Gloria Gray (43) jetzt schon wieder hineingeraten? Das fragt sie sich selber. Schon als ihr Ex-Lover Wolf Wolff, Antiquitätenhändler und Chef der Biker-Gang „Switch Blades“, sie zu einem feudalen Lunch ins Restaurant auf dem Münchner Olympiaturm einlädt, hat sie ein komisches Gefühl. Das wird nicht besser, als er herumdruckst und andeutet, dass er eine Weile „weg“ müsse. Vikki solle sich derweil um seine Angelegenheiten kümmern.

Selbstverständlich wird sie das tun! Hund, Post, Zimmerpflanzen, kein Problem. Aber warum muss er so plötzlich fort? Wohin geht er? Wann kommt er wieder? Und warum tut er so geheimnisvoll? 

Schließlich rückt er mit der Sprache raus: Bei der letzten „Intervention“ – die Switch Blades befreien Tiere aus schlechter Haltung – ist etwas schiefgegangen und er hat einen Wachmann getötet. Jetzt gehen er und seine gesamte Gang erst einmal auf Tauchstation. Weniger aus Angst vor der Polizei, sondern davor, dass „die“ sie erwischen und mit ihnen kurzen Prozess machen könnten. Wer „die“ sind, weiß Vikki nicht. Sie ist völlig durcheinander. Sie hat nicht einmal mitgekriegt, dass ihr Treffen vom Nebentisch aus gefilmt worden ist.

Weil Vikki täglich als Conférencière eines Varietés auf der Bühne steht, kann sie sich nicht Vollzeit um Wolfs Hund, den treudoofen Dalmatiner Stollberg, kümmern. Ihre Mutter, eine toughe Ex-Gastronomin, zieht deshalb vorübergehend bei ihr ein, übernimmt den Hund und schmeißt den Haushalt. Das ist praktisch! Und weil Vikki derzeit keinen Führerschein hat, fungiert Nachbarstochter Kathi (18), die ehrgeizige Influencerin, die wir aus Band 2 kennen, als Chauffeurin. Das ist nicht immer das reine Vergnügen. Aber immerhin: „Queen Victoria“ hat jetzt Personal! 😊

Als Madame Marougé, Vikkis derzeitige Chefin im „Palazzo Fantastico“ und eine mysteriöse Größe im Münchner Nachtleben, auf einmal dringend den Wolf sprechen will, schlägt Vikkis Sorge um ihren alten Freund in Panik um. Wenn die Marougé da drinhängt, ist die Geschichte noch gefährlicher als gedacht!

Sie würde ja selbst gern mit Wolf sprechen, aber sie weiß nicht, wo er ist. Ja … sie vielleicht nicht. Jemand aus ihrem Umfeld schon! Nachdem Vikki sich von dieser Überraschung erholt hat, schnappt sie sich ihren Lebensabschnittsgefährten, den Ex-Polizisten Pascal, und sie fahren zu Wolfs Versteck. Doch von ihm keine Spur! Dafür geraten die zwei in eine Schießerei. Es gibt Tote und Verletzte. Und das ist erst der Anfang …!

Wir Leser:innen wissen geringfügig mehr als die Heldin. Wir begleiten nämlich den abgehalfterten Bestseller-Autor Lars Kessler (60) und dessen neuen Assistenten, den verkrachten Privatdetektiv Mario Sulfak (25) bei ihren … ähm … Aktivitäten. Die zwei haben einen Vertrag mit einem Streamingdienst über eine Doku ergattert. Thema: Die Biker-Gang der Switch-Blades und ihr Engagement für den Tierschutz.

Kessler will auf-Teufel-komm-raus Erfolg haben mit diesem Projekt. Das muss der Kracher schlechthin werden! Aus Gründen. Sein Assi Mario traut dem „alten Trottel“ nicht über den Weg und spioniert ihn aus. Er staunt nicht schlecht, als er sieht, wie weit Kessler bei seiner Arbeit zu gehen bereit ist. Der wiederum hat keine Ahnung, wozu der Jungspund fähig ist …

Derweil stolpert Vikki Victoria mit Pascal, Kathi, Mama und Hund rat- und schimmerlos durch die Szenerie und von einer Katastrophe in die nächste. Worüber sie uns ungeschönt, höchst amüsant und thematisch abschweifend berichtet. Die Entertainerin kann einfach nicht beim Thema bleiben! Wenn ihr beim Erzählen irgendwas ein- oder auffällt, dann muss das raus, ohne Filter. Da kriegen z.B. ein paar Schickimickidamen ihr Fett weg, die sich etwas auffällig benehmen. Nein, die sind nix Besseres, auch wenn sie das vielleicht meinen:

„Trotz sündteurer Pflegeprodukte: auch nur ein Haufen Zwiderwurzn.“ 

(Seite 54)

In alles, was irgendwie mediengeil ist, haut Vikki ihre Giftzähne rein. Auch Dinge, die mal in bester Absicht ins Leben gerufen wurden, aber ihrer Meinung nach umgeschlagen sind in Wichtigtuerei, sektenähnliches oder faschistoides Gehabe, werden gnadenlos durch den Kakao gezogen. Da ist das Gendern genauso dabei wie die „woke“ politische Korrektheit:

„Wimmer wimmer, wir fühlen uns angegriffen, wu-hu-huu. Kennt man ja, wer zuerst beleidigt ist, hat gewonnen.“ 

(Seite 106)

Nicht einmal der Klima- und Umweltschutz ist vor Vikkis ätzenden Kommentaren sicher. Da können wir noch so viel Wasser verschwenden um unsere Joghurtbecher vor der Mülltrennung sauber auszuspülen – das nutzt alles nix, es ist eh zu spät. Sagt die Vikki. Auch wenn ich ihre Ansichten nicht immer und unbedingt teile, beeindruckt es mich, wie sie zu ihren Überzeugungen steht. Man kann ihr ihre Meinung auch nicht absprechen:

„Du wärst genauso, wenn du ich wärst. Und umgekehrt.“

(Seite 49)

Dagegen ist schwer was zu sagen. Die Vikki hat sich eben noch nie was vorschreiben lassen. Sie musste sich ihren Weg gegen alle Widerstände ganz allein erkämpfen. Wenn sie wehleidig gewesen wäre, wäre sie daran zerbrochen. Ich kann also nachvollziehen, dass sie für manche „modernen“ Entwicklungen kein Verständnis hat. Das ist eine konsequente Personenzeichnung. 

Vikkis dritter „Zwischenfall“ ist eindeutig der bis jetzt brutalste. Hat in den vorangegangenen Bänden irgendein D*pp was vermasselt, was zu irrwitzigen und saukomischen Verwicklungen führte und maximal in einer Massenschlägerei gipfelte, gibt’s in Band drei jede Menge Tote. Selbst die Guten … okay, hier gibt’s ja kein eindeutiges Schwarz und Weiß, sagen wir: die „Hellgrauen“ … machen sich schuldig. Und hier hat auch kein unbedarfter Kleinkrimineller aus Versehen eine Lawine losgetreten, hier sind ein paar eiskalte Zyniker unterwegs, die ohne Rücksicht auf Verluste ihr Ding durchziehen.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es jetzt noch einen vierten „Zwischenfall“ geben kann. Die Unschuld ist hin, Vikkis gut funktionierendes Netzwerk irgendwie auch – und ohne Hilfe kann sie solche Aktionen nicht stemmen, wie die Szenen im Stall und in der Kapelle zeigen. Es sei denn, es ist vielleicht doch nicht alles so, wie wir jetzt glauben … Na, lassen wir uns überraschen!

Was mich jetzt noch interessieren würde: Auf Seite 67 listet Vikki in kodierter Form ein paar Unsympath:innen aus der deutschen Promi-Szene auf. Ich hab‘ sie alle identifiziert, vom Alexander über die Heidi bis hin zum Uli. Aber wer, zum Geier, ist XXRXX CXXXXX? Das habe ich nicht herausgefunden. Prominenter D*pp mit C, sechs Buchstaben …

Gloria Gray ist seit über 30 Jahren international als Performerin tätig. 2010 kehrte sie in ihre Heimat Zwiesel im Bayerischen Wald zurück und macht sich dort einen Namen als Unternehmerin, Kreisrätin und Botschafterin. Mit der Serie rund um Vikki Victoria legt sie ihr fulminantes Debüt vor. 

Co-Autor Robin Felder lebt und arbeitet in München als Komponist, Texter und Schriftsteller. Bislang sind von ihm vier Romane erschienen.

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Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com 
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