Tina Zang: Ein Schuljahr voller Zauberei. Freistunde statt Erdkunde, Band 3 (ab 8 J.)

Tina Zang: Ein Schuljahr voller Zauberei. Freistunde statt Erdkunde, Band 3 (ab 8 J.), München 2024, arsEdition, ISBN ‎978-3-8458-5713-8, Hardcover mit goldfarbener Prägung, 140 Seiten mit zahlreichen s/w-Illustrationen von Sandra Reckers, Format: 14,9 x 1,9 x 21,9 cm, Buch: EUR 14,00, Kindle: EUR 9,99.

Abb.: (c) arsEdition

Ob es eine gute Idee war, das seit Jahrzehnten verschlossene Klassenzimmer wieder zu nutzen? Das kommt darauf an, wen man fragt. Ja, es lindert die Raumnot an der Grundschule von Eigam. Das freut die Erwachsenen. Doch dieses Zimmer treibt magischen Schabernack, seit Oberstudienrat Gottlieb Loberecht 1951 dem Schüler Alois Auerhahn ein Zauberbuch weggenommen hat. Dabei ist dessen Zauberkraft auf diesen Raum übergegangen. Und da ist sie noch heute.

Die Kinder finden das klasse. Jedenfalls die meisten. Sie haben jetzt ein Plastikskelett, das bei Tests heimlich „vorsagt“, Füller, die falsch geschriebene Wörter durchstreichen, singende Mäuse, die im Chor die Pausen ankündigen und eine Tafel, die alberne Bildchen entstehen lässt, wenn die Lehrkraft gerade nicht hinguckt. Manchmal ist auch eine Wiese oder ein Bach im Klassenzimmer, je nachdem, was dem Raum gerade einfällt. Wer hat schon so eine spannende Lern-Umgebung?

Die Lehrerinnen und Lehrer sind von dem magischen Unfug nicht so begeistert. Lehrer Blitzke versucht verzweifelt und vergeblich, die Magie zu leugnen. Und auch die Viertklässlerin Friedlinde „Friedi“ Loberecht findet die magischen Eigenmächtigkeiten „ihres“ Klassenzimmers nicht lustig. Das hat nämlich Vorlieben und Abneigungen, genau wie ein Mensch. Streber:innen und Spaßbremsen kann es nicht leiden und lässt keine Gelegenheit aus, diese zu mobben. Das bekommt Friedi, die überkorrekte Klassenbeste, zu spüren.

Bis jetzt konnten wir Leser:innen Friedi auch nicht ausstehen. Ehrlich, wer mag schon Streber und Spaßbremsen? Aber in diesem Band erleben wir sie im Kreise ihrer Familie und ahnen: Das Mädchen kann nichts dafür! Ihre Mutter, eine Diplom-Psychologin, ist maßlos anstrengend und anspruchsvoll und ihr Vater nicht viel besser. Langsam tut sie uns leid.

Doch das magische Klassenzimmer kennt keine Gnade. Friedis Klassenkameraden bekommen beim Geographie-Test tatkräftige Hilfe vom Plastikskelett, Friedi dagegen wird beim Schreiben behindert und erhält zum Entsetzen ihrer Eltern die schlechteste Note der Klasse. Ein Ausrutscher? Nein. Beim nächsten Diktat läuft es für die bisherige Klassenbeste auch nicht gut. Resultat: eine Sechs! Die Mutter plant für ihre Tochter schon eine Therapie.

Mitschüler Felix, den Enkel von Alois Auerhahn, plagen mittlerweile Gewissensbisse. Er hat von seinem Opa ein paar Zaubersprüche und die magischen Fähigkeiten „geerbt“ und steht mit dem zaubernden Klassenzimmer in Verbindung. Die Hilfestellungen, die es den Schülerinnen und Schülern gibt, sind auf seinem Mist gewachsen. Aber irgendwie fühlt sich das wie Schummeln an. Ist es ja auch, wie ihm Opa Alois bestätigt. 

Als Felix mitkriegt, wie übel das Klassenzimmer der Streberin Friedi mitspielt und wie sehr sie darunter leidet, ist er sehr betroffen. Er mag sie zwar nicht, aber dass sie nun vielleicht nicht aufs Gymnasium gehen kann und ihre Zukunftspläne begraben muss, das hat er nicht gewollt! 

Es gibt nur eine Lösung: Das Klassenzimmer muss mit dem Zaubern aufhören! In Felix‘ magischem Notizbuch gibt es einen Spruch, der die Zauberei schlafen legt. Felix wendet ihn an, und der Klassenzauber ist vorbei. Aber das ist irgendwie auch nix. Ohne Magie ist das Klassenzimmer nur ein angestaubter Raum, der 70 Jahre lang leer gestanden hat. Jetzt mieft er muffig statt dezent nach Zitrone zu duften und reinigt sich auch nicht mehr selbsttätig. Kein Schabernack mehr, keine singenden Mäuse, keine Hilfestellungen … es ist fad und deprimierend. Selbst Friedi wünscht sich bald die Magie zurück.

Jetzt gibt’s nur ein Problem: Niemand weiß, wie lange die herbeigezauberte Magie-Pause andauert. Das stand in dem Zauberspruch nicht drin. Und auch nicht, wie man das Zimmer vorzeitig aus seinem Schlaf erwecken kann, wenn man das möchte.

Opa Alois weiß auch keinen Rat. Aber vielleicht seine ehemalige Schulkameradin Susanne? Die ist gerade bei ihrer Familie in Eigam zu Besuch und dürfte von dem Problem schon gehört haben. Ihr Enkel Bernie ist nämlich ein Klassenkamerad von Felix. Und tatsächlich: Oma Susanne hat eine gute Idee! Aber ob das Klassenzimmer da mitspielt? Es hat ja die Tendenz, Zaubersprüche sehr eigenwillig auszulegen …

Fantasievoll, turbulent und lustig wie schon die beiden vorigen Bände. Aber es ist nicht der pure Klamauk, einen ernsten Hintergrund gibt es auch: Der Spaß hört genau dann auf, wenn er auf Kosten anderer geht. Wenn die ganze Klasse sich amüsiert aber eine Mitschülerin (Friedi) darunter leidet, ist das nicht in Ordnung und man muss etwas unternehmen. Auch wenn diese eine Mitschülerin nicht besonders nett ist. Felix erkennt das und zieht beim Zauber die Notbremse. Dass man auf erschummelte Erfolge nicht so stolz ist wie auf etwas, das man aus eigener Kraft erreicht hat, dämmert ihm auch langsam.

Da in jedem Band andere Schüler:innen aus der Klasse im Mittelpunkt stehen, kann man noch viele Geschichten über ihre Stärken, Schwächen, Freundschaften, Probleme, Erfolge usw. erzählen (und lesen) – und dabei entdecken, welchen Einfluss die Klassenzimmer-Magie auf die verschiedenen Menschen hat. Da scheint ja recht individuell zu sein. Vielleicht kapiert auch Lehrer Blitzke irgendwann, dass der ganze Hokuspokus nicht nur eine Ablenkung vom Unterricht darstellt, sondern den Kindern auch einiges beibringt.

Tina Zang schreibt und übersetzt seit über 20 Jahren Kinder- und Jugendbücher. Sie ist Jahrgang 1960, lebt in Auenwald (was genau so idyllisch ist, wie es sich anhört) und genießt die Abwechslung zwischen der eher einsamen Schreibarbeit und den spannenden Reisen zu Lesungen, Recherchezielen, Autorentreffen und Workshops.

Sandra Reckers lebt in Münster und hat dort Grafikdesign mit dem Schwerpunkt Illustration studiert. Seit ihrem Abschluss 2001 arbeitet sie als freiberufliche Illustratorin für verschiedene Verlage und hat bereits zahlreiche Kinderbücher illustriert.

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Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com 
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