Jessica Kremser: Frau Maier geht ein Licht auf (Band 6)

Jessica Kremser: Frau Maier geht ein Licht auf (Band 6), Bielefeld 2024, Pendragon Verlag, ISBN 978-3-86532-865-6, Softcover, 287 Seiten, Format: 11,5 x 2 x 19 cm, Buch: EUR 14,00, Kindle: EUR 10,99, auch als Hörbuch lieferbar.

Abb.: (c) Pendragon Verlag

„Eine seltsame innere Unruhe hatte sie erfasst, die von Sekunde zu Sekunde stärker wurde. Irgendein Unheil lauerte hinter den festlichen Ständen des Christkindlmarktes, das spürte sie genau. Irgendwo da draußen, über dem dunklen, glatten, winterkalten See, braute sich etwas zusammen.“ 

(Seite 139/140)

Das ist Band 6 der Krimireihe um die eigenbrötlerische Putzfrau Frau Maier, die mit Katze in einem Häuschen am Chiemsee lebt und zum Verdruss der örtlichen Polizei immer wieder in Kriminalfällen ermittelt.

Serienheldinnen und -helden altern nicht im selben Tempo wie wir Normalsterblichen. Weil nicht auszumachen ist, wann genau der Band spielt – ich vermute mal, vor rund 10 Jahren –, kann man Frau Maiers Alter nur grob auf „Ende 60“ schätzen. Ärztin wäre sie gerne geworden oder Polizistin, als sie jung war. Und die Ehefrau vom Fischer-Karli. Nichts davon ist wahr geworden. Also hat sich Frau Maier zurückgezogen und sich mit Putzjobs über Wasser gehalten. 

Soziale Kontakte waren noch nie ihr Ding. Mehr gute Bekannte als die Sparkassenangestellte Elfriede, der Psychologe Frank Schön und der Ahnenforscher Andreas Hofer fallen mir jetzt nicht ein. Oder doch: Im letzten Band hat sie den Wiener Privatdetektiv Wolfgang Woitschak (60+) kennengelernt. Gemeinsam konnten sie einen verzwickten Fall lösen. Das heißt: der „Woitschi“ hat sich wichtig gemacht und Frau Maier die Arbeit. 😉

Überraschungs-Besuch für Frau Maier

Genau dieser Wolfgang Woitschak steht jetzt bei Frau Maier vor der Tür und quartiert sich vorübergehend bei ihr ein. Die introvertierte Frau hat diesem freundlich-dynamischen „Überfallkommando“ nichts entgegenzusetzen. Sie lässt sich überrumpeln. Obwohl sie nicht einmal gerne Besuch hat, hat sie jetzt auf einmal einen Übernachtungsgast.

Als ihr guter Freund Andreas am nächsten Morgen überraschend bei ihr klingelt, ist er so schockiert davon, hier einen fremden Mann im Schlafanzug anzutreffen, dass er kommentarlos wegrennt. Frau Maier ist das Missverständnis unangenehm, aber für die Befindlichkeiten gekränkter Mannsbilder hat sie gerade keine Zeit. Woitschi ist nämlich aus einem bestimmten Grund hergekommen: Er sorgt sich um seine Cousine Renate Sedlacek (60), die ihm nahesteht wie eine Schwester. Sie hat einen Stand auf dem Weihnachtsmarkt, der auf einer der Inseln im See stattfindet. Doch seit Tagen meldet sie sich bei keinem ihrer Kontakte und ist einfach nicht zu erreichen. Das ist völlig untypisch für sie. Es könnte ihr was passiert sein!

Die verschwundene Cousine

Zur Polizei mag Woitschi nicht gehen, denn es ist auch nicht gänzlich ausgeschlossen, dass die wilde und abenteuerlustige Renate, Mitglied eines Motorradclubs, in irgendwelche ungesetzlichen Aktivitäten verstrickt ist. Er will sie selbst suchen und Frau Maier soll ihm helfen. Er möchte sich in ihrer Pension und inkognito unter den Marktbeschickern umsehen. Jetzt ist auch klar, wozu er Frau Maier braucht: Sie soll an Renates Stelle Gebäck verkaufen und erforderlichenfalls Nachschub backen. Er geht derweil ermitteln. Renate, so wollen sie erzählen, sei aufgrund einer Erkrankung nach Wien zurückgekehrt.

Aus Neugier lässt sich Frau Maier darauf ein, ohne dass über eine finanzielle Kompensation für ihren Einsatz gesprochen worden wäre.

Undercover auf dem Christkindlmarkt

In Renates Unterkunft gibt es keinen Hinweis auf ihren Verbleib. Doch als Frau Maier im Marktstand nach einem Kochbuch greift, fällt ein Tütchen mit Drogen heraus. Ein erster Hinweis? Und verhalten sich die Standnachbarn Jens und Heike nicht ausgesprochen seltsam? Sie sind geradezu bedrohlich feindselig – im Gegensatz zu der aufgedrehten Heilstein-Händlerin Hildegard, die fast schon aufdringlich freundlich ist. Am sympathischsten ist Frau Maier noch Lena Koch, die junge Praktikantin des Standbetreibers: tüchtig, umgänglich und zielstrebig.

Als auf einer Nachbarinsel ein junger Mann aus der Drogenszene erschlagen aufgefunden wird, ist den beiden Privat-Ermittlern klar, dass da ein Zusammenhang bestehen muss. Wo ist die Renate da nur hineingeraten? Und was wursteln eigentlich Hildegard und die Standnachbarn permanent mit irgendwelchen Kuverts herum? Ware gegen Geld? Frau Maier will’s genau wissen …

Mordanschlag auf eine Standbetreiberin

Erst als auf eine Standbetreiberin ein Mordanschlag verübt wird, gerät Bewegung in die Sache. Jetzt muss die Polizei geholt werden, ob es dem Woitschi passt oder nicht. Und wer hat das Opfer gefunden? Natürlich unsere Frau Maier. Von einer anonymen schriftlichen Warnung, die solle sich aus der Sache heraushalten, lässt sie sich nicht einschüchtern.

Bevor sich die ermittelnden Polizeibeamten ein Bild von den Vorgängen machen können, geht Frau Maier ein Licht auf: Da hat doch jemand gerade Täterwissen offenbart! Sie glaubt nun zu wissen, was mit Renate Sedlacek passiert ist. Doch ehe sie die Polizei alarmiert, will sie sich davon überzeugen, dass sie wirklich recht hat. Keine gute Idee …!

Eine unterschätzte Heldin

Ich mag die spröde Frau Maier: Sie ist wissbegierig, einzelgängerisch und meines Erachtens hochintelligent. Aufgrund äußerer Umstände ist sie weit hinter ihren Möglichkeiten zurückgeblieben und vom Leben enttäuscht. Ihre Bescheidenheit ist zum großen Teil Resignation.

„Zu oft hatte sie erlebt, dass sie aus den verschiedensten Gründen als unwichtig oder unglaubwürdig abgestempelt worden war. Weil sie keinen Mann an ihrer Seite hatte. Weil sie keine Kinder hatte. Weil sie kein Geld hatte. Weil sie keinen angesehenen Beruf hatte. Kein Studium. […] Und in den letzten Jahren war ein besonders schwerwiegender Grund dazugekommen: weil sie alt war.“ 

(Seite 81)

Also können die Leute sie mal gernhaben. Sie braucht niemanden, sie führt ein selbstbestimmtes Leben, und Einsamkeit ist eben der Preis dafür. 

Tragische Figuren – auch die „Bösen“

Auch wenn ich immer noch den Eindruck habe, dass Frau Maier dem menschlichen Verhalten oft so ratlos gegenübersteht wie ihre Katze, ist sie doch im Lauf der Jahre ein kleines bisschen offener und verständnisvoller geworden. Wie die Tatpersonen jeweils in die Geschichte hineinrutschen konnten und dass das zum Teil ähnlich tragische Figuren sind wie sie selbst, das versteht sie. Dass sie sich in deren Denken und Fühlen hineinversetzen kann, bedeutet aber nicht, dass sie deren Taten gutheißt. Wer die Gesetze bricht, muss dafür die Konsequenzen tragen, dafür wird sie sich auch weiterhin einsetzen.

Solange also ihr lädiertes Knie mitmacht und ihr persönliches Gefahren-Warnsystem, der kribbelnde Nacken, funktioniert, wird sie ermitteln. Sie muss bei ihren Abenteuern nur darauf achten, dass sie abends rechtzeitig zum Katzenfüttern wieder daheim ist.

Die Sache mit dem Vornamen

Dass wir irgendwann Frau Maiers Vornamen erfahren, diese Hoffnung habe ich jetzt aufgegeben. Zwar habe ich nach über 50 Jahren herausgefunden, dass Inspektor Columbo mit Vornamen Frank heißt und auch Kommissar Kluftinger wurde inzwischen als Adalbert Ignatius „geoutet“, doch die Maierin ist ein verflixt harter Brocken. Die lässt sich einfach nicht in die Karten gucken!

Die Autorin

Jessica Kremser wuchs am Chiemsee auf. Zum Studium der englischen und italienischen Literatur und der Theaterwissenschaften zog sie nach München, wo sie seitdem lebt. Mit „Frau Maier fischt im Trüben“ gab sie 2012 ihr Debüt als Kriminalschriftstellerin.

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Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com 
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