Hannah Luis: Bretonischer Zitronenzauber. Roman

Hannah Luis: Bretonischer Zitronenzauber. Roman mit Backrezepten, München 2021, Wilhelm Heyne Verlag, ISBN 978-3-453-42482-1, Klappenbroschur, 475 Seiten, Format: 12 x 3,7 x 18,7 cm, Buch: EUR 12,00, Kindle: EUR 9,99.

Abb.: (c) Heyne

Gerne hätte die Detmolder Projektmanagerin Simona „Mona“ Martinssen (Ende 20) eine so große, trubelige Familie wie ihre Freundin Isa sie hat. Ihre eigene Familie besteht nur aus ihrer Mutter, ihrer Tante Dora und ihr. Ihre geliebte Oma, Josefine Wiedmann, ist vor kurzem verstorben. 

Männer haben sich bei ihnen nie lange gehalten: Uroma Helene war eine ledige Mutter, Oma Josefine jung verwitwet, Monas Mutter ist geschieden, Tante Dora überzeugter Single, und sie selbst hat gerade ihren Verlobten Daniel rausgeschmissen, was, ehrlich gesagt, schon lange fällig war. 

Jetzt räumen Mona und ihre Mutter Oma Josefines Haus aus und finden dabei Unterlagen von Uroma Helene: Backrezepte, Briefe und Notizen, die darauf hindeuten, dass Helene als junges Mädchen in der Bretagne gelebt und in einem Hotel gearbeitet hat. Aber wer der Uropa war, das steht da nicht. Das ist nach wie vor ein gut gehütetes Geheimnis. War er vielleicht Bretone? Haben Martinssens irgendwo im Département Côtes-d’Armor eine riesige Verwandtschaft, von der sie (noch) nichts wissen? Eine schöne Vorstellung!

Da der mit Daniel geplante Spanien-Urlaub nun nicht mehr stattfindet, macht sich Mona kurz entschlossen mit ihrem Kleinwagen, Uromas Unterlagen und ihrem ungezogenen Jack-Russel-Terrier Flint auf den Weg in die Bretagne. Die Spurensuche wird nicht einfach werden, denn Helene war Anfang der 30er Jahre dort. Das ist ewig her, da wird’s keine Zeitzeugen mehr geben, höchstens noch alte Geschichten. Ein paar Fotos und Unterlagen vielleicht, wenn Mona viel Glück hat.

Helenes ehemaliger Arbeitsplatz, das kleine Hotel Mariot, ist überraschend schnell gefunden. Allerdings ist das heute eine baufällige Hütte, die sich gerade der brummige Tauchlehrer Louan Robinet als Wohnsitz herrichten lässt. Mona mit ihrer Fragerei kommt ihm denkbar ungelegen. Aber weil sie bereit ist, ihn zu einem Treffen mit seiner Vermieterin zu chauffieren, willigt er ein, sie im Gegenzug bei ihrer Ahnenforschung zu unterstützen. 

Jetzt sind die beiden also gemeinsam unterwegs. Mit Hund. Eine bedrohliche Begegnung in einem Restaurant lässt Mona ahnen, in welchen Schwierigkeiten ihr Reisebegleiter steckt und dass er guten Grund hat, so wortkarg und unleidlich zu sein. Dass die beiden wenig später vor einer Frau mit Gewehr flüchten müssen, macht die Sache nicht angenehmer. Aber besser Louan als gar keine Hilfe!

Vielleicht hat ja die Nachfahrin der damaligen Hotelbesitzer noch irgendwelche Informationen oder Unterlagen über das Hotel Mariot und Helene. Also suchen sie nach einer Gastronomin namens Théa. Und tatsächlich: In ihrem Café gibt’s einen ersten Hinweis auf Helene: Die Bäckerin dort, Armelle Roux, backt genau die exotische Zitronentorte, die auch in Monas Familie überliefert ist. Sogar der merkwürdige Name für die Torte ist gleich. 

Die beiden Frauen vergleichen ihre Rezepte – sie sind absolut identisch. Armelle hat das Rezept von ihrer Oma Celine und Mona ihres aus der handgeschriebenen Rezeptsammlung ihrer Uroma Helene. Also dürften Celine und Helene einander gekannt haben. Wie’s aussieht, waren sie befreundete Kolleginnen.

Auf der Suche nach weiteren Informationen fahren Mona und Louan kreuz und quer durch die Gegend, befragen alle möglichen Leute und kommen einander mit der Zeit näher. Aber mit dem optimistischen Sonnenscheinchen aus Deutschland kann der knurrige Bretone nicht so richtig umgehen. Als Mona erfährt, was genau sein Problem ist und wohlmeinend eingreift, flippt er völlig aus. Einmischung kann er gar nicht haben! – War’s das jetzt mit den beiden?

In der Geschichte wird viel und gut gekocht, gebacken und gegessen. Immer wieder wundern sich die Leute, warum Mona ihre Backleidenschaft, die sie mit ihrer Oma teilte, nicht zum Beruf gemacht hat, sondern im Büro sitzt. Ich vermute mal, dass sie als Projektleiterin mehr verdient als eine Bäckerin/Konditorin. Doch so langsam stellt sich Mona diese Frage selbst.

Nach vielen Irrungen, Wirrungen und Sackgassen finden schließlich zwei gut vernetzte Einheimische mit Neigung zum Detektivspielen in alten Unterlagen den entscheidenden Hinweis auf Monas Familiengeschichte. Mona kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Damit hat sie wirklich nicht gerechnet …! Die Leserin staunt ebenfalls. Warum? Dazu komme ich gleich.

Die Spurensuche war spannend und unterhaltsam. Die stets positiv gestimmte Heldin, ihr grimmiger Reisegefährte und nicht zuletzt der freundlich-verfressene Hund, der es schafft, sich überall einzuschmeicheln – das hat Spaß gemacht. Die Gegend und das köstliche Essen waren so wunderbar beschrieben, dass man sich mitten in der Szenerie wähnte und Kuchen & Co. zu riechen und zu schmecken meinte. Wer mag, kann die Kuchen und Torten anhand der Rezepte im Anhang nachbacken.

Was mich geärgert hat, war die Auflösung des Familiengeheimnisses. Das mag sich schon so ereignet haben, aber es kann unmöglich in dieser Form dokumentiert worden sein. Die Namen stimmen nicht! Die kommen hier entweder völlig neu ins Spiel oder sind ein Vorgriff auf die Zukunft. In den Unterlagen müssten „Abels“ und „Girardot“ stehen, sonst ergibt die Geschichte keinen Sinn. Und nein, ich habe da nichts missverstanden! Das ist ein Fehler, den vorab niemand bemerkt hat. 

Sowas haut mich immer komplett aus einer Geschichte raus, weil ich anfange zu rätseln, zurückzublättern und Details zu überprüfen. Warum eigentlich überlässt man es dem zahlenden Leser, solche Ungereimtheiten zu aufzuspüren? Aber ich fürchte, als altes Verlagswesen kenne ich die Antwort schon: Sparmaßnahmen …

Hannah Luis (offenes Pseudonym der Fantasy-Autorin Stefanie Lasthaus) studierte Skandinavistik, Publizistik und Sozialanthropologie in Bochum und Kopenhagen. Nach verschiedenen Stationen in Australien, England und der Schweiz kehrte sie nach Deutschland zurück. Heute lebt und schreibt sie in Essen, aber es zieht sie noch immer regelmäßig in die Ferne. Sie liebt es, Rezepte aus anderen Ländern mitzubringen und zu Hause auszuprobieren.

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Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com 

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