Angelika Godau: Oh nein! Ein Esel kommt selten allein – Türkei für Anfänger 1

Angelika Godau: Oh nein! Ein Esel kommt selten allein – Türkei für Anfänger 1, Independently published, 979-8-86790945-1, Softcover, 316 Seiten, Format: 12,7 x 1,83 x 20,32 cm, Buch: EUR 12,99, Kindle: EUR 3,99.

Abb.: A. Aldenhoven, A. Godau

Die Autorin hat zehn Jahre lang in der Türkei gelebt, kennt also die kulturellen Unterschiede zu Deutschland und den Schock, der einen ereilen kann, wenn man von einem Land ins andere wechselt.

Bei der Hauptfigur dieses Romans, Yusuf Karamak, 47, Fernfahrer von Beruf, hätte man als Leser gar keinen Kulturschock erwartet, als es ihn mit seiner Familie von Deutschland in die türkische Stadt Side verschlägt. Doch alles, was an Yusuf türkisch ist, sind sein Name und sein Pass. Er ist in Deutschland aufgewachsen, daheim wurde Deutsch gesprochen, er ist mit einer Deutschen verheiratet und versteht ungefähr so viel Türkisch wie die meisten von uns: eine Handvoll Vokabeln, die man irgendwann aufgeschnappt hat. 

Wenn Yusuf sich mit seiner Großmutter unterhalten will, ist er auf die Übersetzung seiner Eltern angewiesen, denn die Oma, die immerhin auch schon seit 40 Jahren in Deutschland lebt, hat sich der deutschen Sprache ebenso hartnäckig verweigert wie Yusuf der türkischen.

Das hat alles irgendwie funktioniert und wäre auch weiterhin kein Problem gewesen, wenn Familie Karamak in Deutschland geblieben wäre. Doch jetzt, da die Kinder (Sohn Elyas, 23, und Tochter Dilek, 18) aus dem Haus sind und Yusufs Frau Marie unverhofft eine Erbschaft macht – die zum Glück nicht nur aus einem geschwätzigen Papagei besteht  –, haben sie die Chance, noch einmal etwas Neues zu beginnen. Marie möchte das und Yusuf ist dazu gezwungen. Er hat gerade von seiner Firma die betriebsbedingte Kündigung erhalten, und irgendwie muss es ja weitergehen.

Ein windiger Jugendfreund seiner Frau macht ihm ein Hotel in Side schmackhaft. Yusuf lässt sich überrumpeln und unterschreibt völlig überstürzt den Kaufvertrag. Doch statt von seiner Initiative und seinem Mut begeistert zu sein, erklärt Marie ihren Gatten für bekloppt. 

Vertrag ist jedoch Vertrag, auch wenn der wahrscheinlich nicht ganz koscher ist. Aus der Nummer kommen die Eheleute nicht mehr raus. Also wird alles, was sie in Deutschland hatten, verkauft oder verschenkt, und nur mit dem, was in ihr Auto passt, machen sich die beiden – nebst Papagei Karlchen – auf den Weg nach Side.

Von außen sieht das „Otel Güneş“ (Hotel Sonne), das die neuen Besitzer ja blind gekauft haben, nicht einmal schlecht aus. Doch als sie es betreten, trifft sie fast der Schlag. Das ist … einfach unfassbar! So können sie auf keinen Fall Gäste empfangen! Ja, und jetzt? Sie stehen da wie die begossenen Pudel.

Ohne gut funktionierendes Netzwerk bist du überall der D*pp. In der Fremde erst recht. Zum Glück ist Mustafa vom benachbarten Hotel Malhun ein guter Mensch. Er sieht in Yusuf keinen unliebsamen Konkurrenten, sondern ein bemitleidenswertes „Söhnchen“, dem man übel mitgespielt hat, und dem man nun unter die Arme greifen muss. Mustafa hat überallhin beste Beziehungen. Und noch einen Verbündeten findet Yusuf: Seinen Ex-Kollegen Duran (30), der aus der Gegend stammt und derzeit hier Urlaub macht. Auch der kennt hier Hinz und Kunz. Auf wundersame und nicht immer rechtskonforme Weise wird ein Problem nach dem anderen gelöst. Und neue geschaffen. 😉

Auf einmal gehen im Otel Güneş die Lichter aus. Hat da jemand an der Stromversorgung rumgefummelt? Der Elektriker lässt sowas anklingen. Sie haben Probleme, Personal zu finden, es gibt undurchsichtige Rechtshändel und irgendwann brennt im wahrsten Sinne des Wortes die Hütte. Warum das alles passiert, ist Yusuf und Marie ein Rätsel. Okay, das Hotel hatte unter dem vorigen Besitzer keinen guten Ruf. Aber das ist doch jetzt alles anders! Unter ihrer Leitung verkehrt hier nicht mehr die Halbwelt, jetzt sind deutsche Rentner und Rentnerinnen zu Gast. Was also läuft da?

Yusuf und Marie wissen nur eines: Sie können nicht mehr nach Deutschland zurück. Wo sollten sie denn die Menagerie lassen, die sich inzwischen bei ihnen angesammelt hat: Hunde, Katzen und ein Esel? 

Wie der Titel schon sagt: Ein Esel kommt selten allein. Mit dem zweiten ist aber nicht Yusuf gemeint, auch wenn er mitunter den Verdacht hegt, einer zu sein. Woher wir das wissen? Weil er es ist, der uns die ganze Geschichte aus der Ich-Perspektive erzählt: grundehrlich, treuherzig und nichts beschönigend berichtet er, wie er mit seiner Familie mitten ins Chaos geschlittert ist. Und jetzt gleicht sein bisher ruhiges Leben einem Abenteuertrip, den er so nie gebucht hat! 

Der Kerl ist so sympathisch, weil ihm vollkommen klar ist, dass er nichts auf die Reihe kriegt und dass alle anderen das wissen. Trotzdem versucht er nach Kräften, wenigstens den Schein zu wahren. Vergeblich! Wieder und wieder wird er ausgetrickst und über den Tisch gezogen und Mustafa, Duran und deren Freunde müssen ausrücken und ihn aus seinen Schwierigkeiten rauspauken. 

Der Leser schwankt zwischen haltlosem Gekicher (Die Reisegruppe! Der Schwiegermuttersitz! Die Sache mit dem Huhn! Die Streitgespräche in der Familie!) und Mitleid mit diesen schimmerlosen Auswanderern. Eines ist uns ebenso klar wie Yusuf und seiner Familie: So kann das nicht ewig weitergehen! Karamaks können sich nicht nur auf die Hilfe ihrer Freunde verlassen. Wenn sie im Land bleiben und ihr Hotel wirtschaftlich betreiben möchten, müssen sie selbst in die Hufe kommen. Herauszukriegen, wer ihnen ans Leder will und entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wäre mal ein Anfang …

Das Romanpersonal ist klasse, die Geschichte spannend, amüsant und bisweilen natürlich ein bisschen humoristisch überspitzt. Realität pur wäre fad. Ich könnte mir das sehr gut als Fernsehserie vorstellen.

Obwohl der Roman in sich abgeschlossen ist, wüsste man schon gerne, wie es weitergeht.

  • Ist die Kuh vom Eis? Sprich, können Karamaks jetzt wirklich loslegen? 
  • Gehört Kumpel Duran zu den Guten oder nicht? Er ist gerissen und schwer einzuschätzen.
  • Was hat Elyas Karamak mit seinem Leben vor? Seine Pläne wirken nicht nur auf seine Eltern etwas unausgegoren. 
  • Ergibt sich irgendwann mal die Gelegenheit für Karamaks, sich bei Mustafa und dessen Familie für all die Wohltaten zu revanchieren, die sie in ihrer Anfangszeit erfahren haben? 
  • Und welche Überraschungen hat Yusufs eigensinnige Oma als nächstes parat? 

Ich glaub‘, da geht noch einiges! Die Autorin sieht das offenbar ähnlich: Bis jetzt gibt es vier weitere Bände. Ich bin gespannt!

Der Anhang des vorliegenden Bands enthält Rezepte, anhand derer man das nachkochen kann, was Zeynep mit ihrem Team für die Hotelgäste Leckeres zaubert. Die rote Linsensuppe kann ich empfehlen, die habe ich schon ausprobiert.

Angelika Godau, geboren in Oberbayern, hat in verschiedenen Regionen Deutschlands gelebt und fast 10 Jahre lang in der Türkei. Sie hat als Journalistin gearbeitet, Psychologie studiert und in Mannheim eine eigene Praxis betrieben. Heute lebt sie mit ihrem Mann, zwei Hunden und einer Katze in Zweibrücken, schreibt Bücher und engagiert sich im Tierschutz.

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Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com 
www.boxmail.de

Ein Kommentar

  1. Edith Nebels Rezensionen lesen sich selbst dann spannend und überraschend, wenn man das Buch dazu selbst geschrieben hat🤣Sie sind stets ausführlich und liebevoll detailliert verfasst und machen sicher neugierig auf das Buch. Vielen Dank wieder einmal.
    LG
    Angelika

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