Ellie Brauer: Ein nicht ganz koscherer Fall. Israel-Krimi

Ellie Brauer: Ein nicht ganz koscherer Fall. Israel-Krimi, München 2024, Piper-Verlag, ISBN 978-3-492-50774-5, Softcover, 320 Seiten, Format: 13,9 x 19,1 x 2,9 cm, Buch: EUR 18,00, Kindle: EUR 4,99.

Abb.: (c) Piper Verlag

„Im Regelfall brechen Verdächtige ein, sobald sie die Tatsache akzeptieren, dass wasserdichte Beweise ihre Tat belegen. […] Früher oder später wird er uns die ganze Geschichte erzählen. Und entweder haben wir dann für den Mord an Alexander sein Alibi oder sein Geständnis. Oder sein Wissen, wer der Täter war.“ 

(Seite 248)

So einfach, wie sich der israelische Kommissar Michael „Micki“ Cohen das vorstellt, ist die Sache dann doch nicht. Das hätte er sich eigentlich denken können! Er kennt die Leute ja. Doch von vorn:

Olivia Pfeffer, 37, die Kriminalkommissarin, die es von Stuttgart nach München verschlagen hat, konnte mit dem deutschen Winter noch nie was anfangen. Sobald’s draußen kalt und schmuddelig wird, träumt sie sich in ihre Wahlheimat Israel. Aber es ist halt maximal ein Urlaub im Jahr drin. Für immer Achziv am Banana Beach statt München an der Isar, das wär’s! 

Nachdem sie im letzten Urlaub dort zusammen mit der örtlichen Polizei einen internationalen Fall gelöst hat, hat sie jetzt die Chance, auch dienstlich an ihren Sehnsuchtsort zu kommen: Sie wird nach Israel abkommandiert. Offenbar hat ihre Arbeit dort Eindruck hinterlassen. Sie gehört jetzt zur Special Unit Aleph, der ersten deutsch-israelischen Sondereinheit der Mordkommission, die aufgrund eines Regierungsbeschlusses länderübergreifend und ohne bürokratische Hürden arbeiten soll.

Einen entsprechenden Fall gibt es schon. Ausgerechnet an Olivias geliebtem Banana Beach im Norden des Landes ist ein Toter angespült worden … ein Mann mittleren Alters, erschossen, möglicherweise mit einer Polizeiwaffe. Beim Toten wurden keine Papiere gefunden. Aber er hat ein auffälliges Tattoo mit einem deutschen Text. Das bringt Olivia schnell auf die richtige Spur: Der Tote ist Alexander Claasen, ein Werbegraphiker aus Stuttgart. Ein unauffälliger Mann, der keine Feinde hatte und sich rührend um seine demenzkranke Mutter kümmerte. Warum er jetzt tot am Banana Beach gefunden wurde, kann sich niemand erklären.

Olivias Kollegen in Achziv versuchen derweil, herauszufinden, wo Claasen in Israel gewohnt hat. Keine Hotelreservierung, nix! Er müsste schon privat untergekommen sein, aber er hatte keine Verbindungen nach Israel. Oder doch?

In Stuttgart läuft sich Olivias Kollege Michele „Mimi“ Zioni die Hacken ab und findet heraus, dass Claasen eine Freundin hatte. Den Namen weiß keiner, aber es gibt Fotos, auf denen er mit einer Brünetten zu sehen ist, einer attraktiven mediterranen Erscheinung. Eine Israelin? – Das werden die Kolleg:innen in Achziv ruckzuck herausfinden, da ist Olivia zuversichtlich.

Ja, die sind da fix! Die Freundin ist Noa Stern, 41, aus Bat Shlomo, die lange Jahre in Ecuador gelebt hat. Sie ist aber nicht zu erreichen. Niemand ist zu erreichen! Feiertage lähmen das Land, alle Welt ist auf Verwandtenbesuch.

Kommissar Micki Cohen ahnt, dass es jetzt kompliziert wird. Er kannte Noa, er kennt ihre Familie. Mit ihrem Bruder David ist er seit der Schulzeit befreundet. Wenn dessen Familie etwas mit dem Mord zu tun hat, wird das mehr als nur unangenehm.

Olivia Pfeffer fliegt nach Israel, richtet sich in Achziv häuslich ein und trifft ein paar alte Bekannte im Strandcafé. Gastwirt Leo (aus Band 1: Ellie Brauer: KEIN URLAUB OHNE MORD) ist nicht mehr da. Er ist mit seiner Familie in die USA gegangen. Aber die Bademeister gibt’s noch und auch die nette Kellnerin „Nadja Doppel-D“, bei der wir denselben Fehler machen wie Olivia: Aufgrund ihrer vulgären Aufmachung unterschätzen wir die junge Frau total! In Sachen „Vorurteile“ werden wir in diesem Buch noch die eine oder andere interessante Erfahrung machen.

Während Olivia sich in ihrem neuen Wirkungskreis einlebt und einarbeitet und auch häufig privat mit Kollege Micki und dessen Sohn unterwegs ist, macht sich daheim in München Abteilungssekretärin Beatrice Pfannenschwarz auf ebenso plumpe wie dreiste Weise an Kommissar Mimi Zioni heran. Olivia, die selbst Interesse an dem gebürtigen Neapolitaner hat, kriegt das wohl mit, kann aber aus der Ferne nichts dagegen tun.

So anstrengend, faul und nervig diese „Beatritsche“ auch ist – ihr fallen manchmal Details auf, die ein „normal“ denkender Mensch nie bemerken würde. Das hat sich schon als hilfreich, ja sogar als entscheidend erwiesen. Ich fürchte also, dass sowohl das Kommissariat als auch die Leserschaft das dumme Luder noch eine Weile ertragen muss. Mir macht das nicht viel aus. Ich warte schon jetzt mit Spannung auf den dritten Band und auf ihre Reaktion, wenn sie erkennt, was es mit dem angeblich adeligen Kumpel ihres Nachbarn auf sich hat. Ich hab da so einen Verdacht und kichere jetzt schon. 😀

Ein bisschen befreiende Komik muss hier sein. Dafür sorgen Beatrice und der schmierige Hausmeister in Olivias neuer Wohnung. Weil er sich distanzlos aufführt, macht sie sich gar nicht erst die Mühe, sich seinen komplizierten Nachnamen zu merken, sondern sortiert die Buchstaben im Geiste jedes Mal neu, wenn sie sich über ihn ärgert. Das ist ebenso kreativ wie gemein, und ich habe eine Lieblingsvariante.

Diese komischen Momente braucht man hier, weil der Fall selbst so tragisch ist. Der Versuch, Zeugen zu finden und den Tathergang zu rekonstruieren – wo ist Alexander Claasen überhaupt getötet worden und ins Meer geraten? – stoßen die Ermittler auf einen weiteren Todesfall. Suizid als Schuldeingeständnis? Oder Mord, um einen Zeugen oder Mitwisser zum Schweigen zu bringen? Man weiß es noch nicht. 

Micki Cohen gerät tatsächlich in einen massiven Loyalitätskonflikt. Wie er befürchtet hat, steckt die Familie seines Schulfreundes bis zum Hals – und bis zum letzten Cousin – in der Geschichte mit drin, auch wenn niemandem klar ist, wie und warum. Und wer jetzt eigentlich geschossen hat.

Welche Szenarien die Polizisten auch durchspielen, das ist alles nur logisch bis zu einem gewissen Punkt. Danach passt nichts mehr zusammen. Familie Stern hält eisern dicht, obwohl die garantiert alle wissen, was hier gespielt wird. Und dann versucht plötzlich ein Nachbar, sich Hals über Kopf ins Ausland abzusetzen. Was, zum Geier, läuft hier? 

Ein bisschen hofft Olivia ja, dass sie den Fall nicht so schnell aufklären, dann kann sie noch eine Weile im Land bleiben. Andererseits … was, wenn es noch mehr Tote gibt? Sie müssen den Mörder finden!

Ich hatte relativ schnell eine Vorstellung davon, wer Alexander Claasen erschossen hat und auch eine ungefähre Idee, warum. Nur beim zweiten Todesfall ging es mir wie den Ermittlern: Ich hab‘die Enden nicht zusammengebracht. Das passte alles nicht. Es blieb also spannend bis zum Schluss. Dann erst versteht man die Zusammenhänge – und ist erschüttert. Der Fall ist eine Tragödie – und alles, was geschehen ist, war im Grunde völlig unnötig.

Die Reihe läuft unter „Cosy Krimi“, der Israel weitgehend politikfrei als Urlaubsland präsentieren möchte. Gänzlich unpolitisch kannst du über das Land nicht schreiben, wenn auch die Ereignisse vom 7. Oktober 23 und deren Folgen hier ausgespart werden. Gut, die Geschichte ist nicht exakt datiert, das kann alles auch noch in der Zeit davor spielen. Anders würde das Konzept nicht funktionieren, das die Autorin im Nachwort so erklärt:

„Mit meinen Krimis […] wollte ich Lesern und Leserinnen eine neue Sichtweise auf Israel ermöglichen. Dabei war es mir als Autorin wichtig, authentische Situationen zu schaffen, die mit Lokalkolorit und fein gezeichneten Charakteren die kulturelle Vielfalt Israels widerspiegeln.“

(Seite 344)

Mir gefällt diese Idee, ich mag die Reihe, auch wenn ich natürlich sehe, was das derzeit für ein Spagat ist. Ach, wär’s in Israel doch so, wie die Autorin es beschreibt! Und, wie gesagt: Ich lauere schon gespannt auf Band 3. Ich will Beatrices Gesicht sehen, wenn sie das mit dem „von“ kapiert. 😀 Und ich hoffe, dass Olivia einen Weg findet, in Israel bleiben zu können.

Ellie Brauer, geboren in Stuttgart, ist freischaffende Werbetexterin und Autorin. Wenn sie nicht gerade Webseiten konzipiert oder PR-Texte für ihre Kunden verfasst, geht sie auf Reisen und schreibt. Bevorzugt in ihrem Lieblingsland Israel, wo sie sich am Strand neue Fälle für ihre Krimireihe um die urlaubsreife Ermittlerin Olivia Pfeffer ausdenkt.

Ihr Debütroman Bittermandel Honigherz erschien im Herbst 2021 unter dem Pseudonym Ada Lewis bei Piper und wurde vom Verlag für den Delia Literaturpreis 2022 eingereicht. Für Kein Urlaub ohne Mord erhielt sie 2022 ein Stipendium der VG Wort, für Ein nicht ganz koscherer Fall 2023 ein Stipendium des Förderkreis der Schriftsteller:innen in Baden-Württemberg. Sie lebt mit ihrem Lebenspartner in der Nähe von Stuttgart.

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Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com
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