Viola Eigenbrodt: Mode, Mond und blonde Pferde. Ein Krimi aus Südtirol 

Viola Eigenbrodt: Mode, Mond und blonde Pferde. Ein Krimi aus Südtirol, Leonberg 2024, Independently Published, ISBN 979-8-33224278-6, Softcover, 258 Seiten, Format: 12,7 x 1,65 x 20,32 cm, Buch: EUR 13,80, Kindle: EUR 0,99.

Cover Mode, Mond, blonde Pferde
Abb.: V. Eigenbrodt / ePandora, Nürnberg

Als die Meraner Buchhändlerin Florentine Senoner-Marini bei einer ihrer Wanderungen am Fuße des Haflinger Wasserfalls einen übel zugerichteten Toten findet, ist sie zwar schockiert, aber nicht panisch. Schließlich ist sie mit einem Polizisten verheiratet: Maresciallo Franco Marini. Nach ihrem Anruf rückt er mit seinem ganzen Geschwader an.

Bei der Gelegenheit lernen die Polizisten gleich den Rechtsmediziner Kevin Bunte kennen, der für seine divenhafte Kollegin Lucrezia di Lorenzini eingesprungen ist. Die ist nach Princeton gegangen. Der Neue sieht zwar aus wie ein junger Gott, trägt aber fürchterliche Klamotten und spricht einen nahezu unverständlichen Dialekt. Die armen Südtiroler sind aufgeschmissen. 😊 An seiner Kommunikation muss der „Göttliche“ noch arbeiten.

Der Tote wird als der Archäologe Hans Spechtenhauser identifiziert. Feinde? Nein, Feinde hatte er nicht, versichert seine Kollegin Iris Käppele vom Archäologischen Museum in Bozen. (Ja, das ist da, wo auch der Ötzi zu sehen ist!) Allerdings muss die Mikrobiologin und Professorin für Veterinärgenetik zugeben, dass es beruflich bedingte Konflikte gab. Spechtenhauser hat einen deutschen Kollegen des Plagiats verdächtigt, ohne dies beweisen zu können. Der eine oder andere Mitarbeiter hätte sich auch mehr Anerkennung für seine Arbeit gewünscht. Und privat? Na ja: Zu seinen Eltern hatte der Archäologe keinen Kontakt mehr und in seiner Beziehung mit der Apfel-Sommelière Verena Schuster lief es derzeit wohl auch nicht so gut. – Aha. Also doch nicht Everybody’s Darling!

Wir Leser:innen haben überdies Grund zur Annahme, dass der Mord an Hans Spechtenhauser etwas mit den Vorgängen zu tun hat, die im Prolog beschrieben werden: Zwei Personen bringen heimlich eine auffällige Haflinger-Stute in ein neues Quartier. Wenig später wird ein ähnlich aussehendes Pony als gestohlen gemeldet.

Ein merkwürdiger Verein ist hinter dieser besonderen Stute her und will sie partout zu einem bestimmten Termin haben. Aber was ist das Besondere an dem Tier? Wozu brauchen sie es? Hat das esoterisch-kultische Gründe oder steckt mehr dahinter? Doch nicht nur diese mysteriöse „Bruderschaft“ ist an dem Pony interessiert …

Als Leser:in fragt man sich bald, ob die Professorin für Veterinärgenetik und der Archäologe hier vielleicht „Jurassic Park“ spielen – mit alten Tier-Rassen. Aber hätten zwei so brillante Köpfe nicht zu verhindern gewusst, dass Hinz und Kunz vorzeitig Wind von der Sache bekommen? Oder erzählt man uns hier einen vom Pferd? Ach, vielleicht ist das sowieso eine Sackgasse mit den Haflingern und man muss Hans Spechtenhausers Mörder im privaten Bereich suchen! 

Kriminelle Trittbrettfahrer und personelle Unterbesetzung der Polizei erschweren die Ermittlungen zusätzlich. Maresciallo Marini ist seit dem letzten Fall noch immer gesundheitlich angeschlagen, Allieva Elsa Ruatti spricht zwar inzwischen einigermaßen Deutsch – das braucht man hier! -, aber umgänglicher ist sie noch nicht geworden. Und bei der Kripo wurstelt in der IT ein Zivilist mit: ein Sohn der Buchhändlerin Florentine Senoner-Marini. Das ist vielleicht nicht legal, aber es hilft.

Wenn die ermittelnden Beamten wüssten, wer tatsächlich über ihre derzeitigen Fälle Bescheid weiß, sie würden aus der Haut fahren! Aber wenigstens wäre ihnen klar, warum sie keinen Fuß auf den Boden kriegen: Die Gegenseite wird stets brühwarm informiert. 

Wenigstens müssen sich die Polizisten dieses Mal nur mit einem „Maulwurf“ und nicht mit betreuungsintensivem Getier herumschlagen wie in den vorangegangenen Bänden. Da ist nur die Mäuse jagende Polizeikatze Kleopatra, sie sich bei den Carabinieri häuslich niedergelassen hat und bei Videokonferenzen manchmal den Kopf – oder andere Körperteile – in die Kamera reckt. Aber das ist heutzutage fast normal.

Einen spektakulären Verkehrsunfall und einen todesmutigen Undercover-Einsatz später sind die Ermittler schlauer …

Als Leser:in kann man miträtseln, kommt aber höchstens in die Nähe der Lösung. Bei so vielen geltungsbedürftigen Leuten mit riesigen Egos ist es nicht leicht, dem Täter und seinem Motiv auf die Spur zu kommen. Da tut sich selbst die Polizei schwer.

Wie viele andere Laien auch bin ich fasziniert vom Thema „Archäologie“. Ich habe den Wissenschaftler:innen mit großem Interesse bei ihrer Arbeit über die Schulter geschaut und fand’s gar nicht so schlimm, dass ich die Tatperson nicht selbst „ermitteln“ konnte.

Wer sich jetzt fragt, wie der Mond und die Mode in den Buchtitel kommen: Der Mond hat was mit der Bruderschaft zu tun und Mode – oder besser gesagt: der persönliche Kleidungsstil – ist für die Autorin ein Werkzeug, um Personen zu charakterisieren. Kleidung ist eine Form der Selbstdarstellung. Ob sich jemand schrill und auffällig zurechtmacht, immer den neuesten Trends folgt, ob er/sie betont konservativ daherkommt, gepflegtes Understatement betreibt oder morgens das anzieht, was er/sie als erstes erwischt, egal, wie‘s ausschaut, sagt einiges über den Menschen aus.

Muss man sich in Südtirol auskennen, um der Geschichte folgen zu können? Nein, aber man wünscht sich bald, man wäre dort und könnte das, was die Autorin beschreibt, selbst sehen, riechen, schmecken … Sollte man die vorigen Bände gelesen haben? Für die Kriminalfälle selbst ist das nicht nötig. Die sind eigenständig. Aber es hat sich über die Jahre doch einiges an Ermittlungspersonal samt Anhang angesammelt, und ich glaub‘, da kommt man als Spät-Einsteiger:in nicht mehr hinterher. 

Meine Lieblingsszene ist übrigens die, in der ein hundsgemeiner Artikel in der regionalen Klatschpresse wirkungslos verpufft, weil sich keine S… für den „Skandal“ interessiert. 😀 Applaus für die Leserinnen und Leser dieser Zeitung: Das war die perfekte Reaktion! 

Viola Eigenbrodt ist Journalistin, Dozentin für Kreatives Schreiben und Schriftstellerin. Mit ihrer Familie hat sie einige Jahre in Meran gelebt und gearbeitet. Sie kennt Land und Leute gut, die eigenwilligen Charaktere, die manchmal altertümlich anmutende Sprache und die liebenswerten Marotten der Bewohner der sonnigen Alpensüdseite. Heute lebt sie mit ihrem Mann in der Nähe von Stuttgart im schönen Heckengäu und denkt sich dort immer weitere Fälle aus.

Ich bekomme eine kleine Provision, wenn ihr über diesen Link ein Produkt kauft.

Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com
www.boxmail.de

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert